Phijelle Damaschke

1. Platz in der Jahrgangsstufe Q1

Phijelle Damaschke
Bischöfliches Pius-Gymnasium Aachen

Schneeweißer Wein

Ein kleines Mädchen hebt die Hand,
Drückt gegen die verdreckte Scheibe,
Die zwischen uns fungiert als Wand.
Sie taugt schon lang’ nicht mehr als Bleibe.

Das Mädchen mit dem gold’nen Haar
Lässt übers Glas die Finger gleiten.
Sie schreibt mit ihnen: ,,Ich war da.”
Verkünd‘ es in den tiefsten Weiten.

Und sage auch: Ich war einst hier.
Ja, alle Himmel soll’n es hören.
Und stillt das Weiß bald seine Gier,
Besinge es mit hundert Chören.

Denn dieses Pulver, weiß wie Schnee,
Es zieht im Blute seine Kreise.
Mit jedem Schritt, den ich so geh’,
Werd’ ich so fröhlich, still und leise.

So wieg mich zärtlich in den Schlaf,
Auf dass der Schmerz und Wunden blassen.
Ich sag’ auch nichts, bin lieb und brav.
Ich hab’ geleert genügend Tassen.

Hab’ sie gefüllt mit warmem Tee,
Damit das Weiß sich leichter löse.
Ein Wunder, dass ich jetzt noch steh’.
Tja, Wunder sind wohl gerne böse.

Kein Schmerz und nur noch schönster Schlaf
Hat die Verpackung mir versprochen.
Es geht nicht. Ist das meine Straf’?
Hätt’ ich mich lieber doch erstochen…

Denn jeder Schritt tut höllisch weh.
Ich glaub’, das wird nicht einfach schwinden…
Und ganz egal, wohin ich seh’
Der Sinn versteckt. Lässt sich nicht finden.

Der Himmel lacht schon über mich.
Die Hölle will mich gar nicht haben.
Sie streiten sich um jeden Stich.
Wer muss das Grab für mich nun graben?

Die Sonne gräbt gern und sie scheint.
Auf meiner Haut die warmen Strahlen.
Doch meine Zukunft weint und weint.
Sie trauert um verschenkte Wahlen.

Ich schau’ hinauf ins weite Blau.
Sag: Wann erfüllt das Weiß die Zwecke?
Vor meinen Augen Schwarz statt Grau,
Auf dass man mich dann nie mehr wecke.

Denn Wunden der Vergangenheit,
Die lassen sich nicht einfach heilen.
Komm, gib mir noch ein bisschen Zeit.
Komm, lass mich schnell zu Neuem eilen.

Ich breche auf, verbrenn’, was war.
Komm, lass mich eilen und vergessen,
Vergessen jedes dunkle Jahr.
Dann bin ich gerne zu vermessen.

Drum stutz mich, bis es endlich passt.
Vielleicht kann ich auf Rot ja bauen.
Verbrenne jeden Tropfen Last.
Ich war zu dumm und wollte trauen.

Ich habe stets mein Herz verschenkt.
Ich wollte ständig alles geben.
Man hat mich lachend hier erhängt.
Denn guter Wein wächst stets an Reben.

Doch mittlerweile bin ich reif.
Ich bin gemacht zum Pflücken, Treten.
Am Horizont ein roter Streif.
Bin Masse zum Verdrehen, Kneten.

Der rote Wein tropft in das Beet.
Er kämpft sich durch das Fleisch der Traube.
Und ihre Ader schwindet, geht.
Genauso wie ihr einst’ger Glaube.

Das Mädchen mit dem gold’nen Haar,
Das breitet seine Flügel aus.
Ich flüster’ zu ihr: ,,Ich war da…”
Mir geht der Atem endlich aus.